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Eine besondere Physikstunde

 
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Andreas Müller



Anmeldungsdatum: 28.02.2005
Beiträge: 2493
Wohnort: Altendorf

BeitragVerfasst am: Do 01 Dez 2005, 23:02    Titel: Eine besondere Physikstunde Antworten mit Zitat

Carmen besucht in Nuolen die Kantonsschule, sie hat das Schwerpunktfach Physik und Anwendungen der Mathematik gewählt. Zur Grundstoff im Fach Physik gehört natürlich auch der Impuls und der zugehörige Erhaltungssatz. Rein mathematisch ist das nicht wirklich schwierig, aber etwas anderes als ein abstrakt mathematisches Konstrukt wird der Impuls für die Schüler kaum. Zwar haben Raketen immer wieder als Beispiele hinhalten müssen, aber ohne je eine Rakete gesehen zu haben, wird damit allein die Vorstellung über den Impuls kein bisschen konkreter.

Als Impuls-Junkies konnten wir dies natürlich nicht so stehen lassen. Schon vor einiger Zeit hat Carmen daher ihrem Physiklehrer angeboten, für die Klasse eine Raketendemonstration durchzuführen. Das fand er auch sehr interessant, aber ging wohl davon aus, dass es sich um kleine Modellraketen, C-Impuls oder ähnlich, handeln würde. Trotzdem lud er Carmen ein, am heutigen 1. Dezember ihre Demonstration durchzuführen.

Die erste Überraschung war wohl, als ich ihm sagte, wir müssten schon so 200-300m ins Ried hinaus, weg von den Häusern, wenn wir so eine Rakete starten wollten. Ausserdem bräuchten wir die Erlaubnis des Landeigentümers, ob er bitte herausfinden könnte, wer das ist. In verdankenswerter Weise hat er sich dann mit der Gemeinde in Verbindung gesetzt, Eigentümer und Pächter eruiert, und die Erlaubnis eingeholt.

Als nächstes Problem musste ich mich um den Flugplatz Wangen-Lachen kümmern. Dieser ist nur etwa ein Kilometer entfernt, die startenden Flugzeuge fliegen über Nuolen hinweg. Wir schätzen zwar durchaus die regelmässigen Trainingsdarbietungen der Patrouille Suisse über dem Obersee, bei denen der Flugplatz als Achse dient, doch in diesem speziellen Fall war der Flugplatz eher ein Hindernis. Frühzeitig vor dem Event habe ich daher mit dem Flugleiter Kontakt aufgenommen, um die Möglichkeiten zu besprechen. Ich habe ihm sorgfältig erklärt, wie so ein Start bei uns abläuft, wie wir die Sicherheit handhaben, und dass wir dank dieser Prozesse eine sehr gute Sicherheitsbilanz haben. Er kam zum Schluss, dass wir anscheinend eine gewisse Erfahrung mit Raketen hätten, sprach alles mit den Fluglehrern auf dem Flugplatz ab, die zu dieser Tageszeit praktisch die einzigen auf dem Platz sind, und erteilte uns die Erlaubnis, zwischen 1100 und 1200 ein paar Raketen zu starten. Ein gutes Beispiel dafür, dass vollständige Transparenz Vertrauen schafft und damit Türen öffnet.

Damit war fast alles bereit. Nur die Raketen mussten noch etwas aufgemöbelt werden, Carmens Samanyolu war über ein Jahr nicht mehr geflogen.
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Andreas Müller



Anmeldungsdatum: 28.02.2005
Beiträge: 2493
Wohnort: Altendorf

BeitragVerfasst am: Do 01 Dez 2005, 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Problem war noch zu lösen: die Veranstaltung sollte nicht einfach ein heiteres Raketenfliegen sein, sondern eine Physiklektion. Wir haben das wie folgt gelöst.

Da es keinen Sinn hat, mit Hilfe von APCP Schall und Rauch zu produzieren, ohne dass die Zuschauer überhaupt eine Ahnung haben, was sich da abspielen würde, haben wir zu Beginn drei kleine Informationsposten gemacht.

Carmen hat mit einem grossen Plakat, das mit einer Schnur am Rail aufgehängt war, die einzelnen Flugphasen erläutert, und insbesondere auch mit Lukis ausgedienter Estes Code Red vorgeführt, wie Stabilität zustandekommt.

Luki hat auf einem grossen Plakat einen 1m langen 15cm-Motor im Längsschnitt gezeichnet, und zusammen mit leeren Motorgehäusen und Reload Kits Aufbau und Funktionsweise erläutert. Selbstverständlich hat er sich mit chemischen Formeln nicht zurückgehalten, schliesslich weiss "man" was HTPB und APCP ist. Und selbstverständlich hat er auch die grösste und die kleinste Düse aus seiner Düsensammlung mitgenommen und präsentiert: die 98mm Düse aus der Ariane 4 (ALRS V) und die Düse eines 18mm RMS.

Ich habe versucht, den Schülern den Impuls als Produkt Schub x Brenndauer näher zu bringen. Insbesondere habe ich vorgerechnet, dass die Leistung, d.h. Kraft x Geschwindigkeit, für eine Rakete ein ziemlich unsinniges Mass ist, nach dieser Formel würde ein Raketenmotor in der ersten Momenten des Fluges fast nichts leisten, was offensichtlich nicht der Vorstellung eines Raketenmotors entspricht.

Damit waren die Grundlagen geschaffen, und wir konnten zum praktischen Teil übergehen.



carmen_gross.jpg
 Beschreibung:
Carmen erklärt Flugphasen und Stabilität.
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carmen_gross.jpg



luki_gross.jpg
 Beschreibung:
Luki und "seine" Motoren.
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andreas_gross.jpg
 Beschreibung:
Nicht Leistung, sondern Impuls charakterisiert einen Raketenmotor.
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Zuletzt bearbeitet von Andreas Müller am Fr 02 Dez 2005, 11:58, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Andreas Müller



Anmeldungsdatum: 28.02.2005
Beiträge: 2493
Wohnort: Altendorf

BeitragVerfasst am: Fr 02 Dez 2005, 11:31    Titel: Antworten mit Zitat

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt, das heitere Raketenfliegen fand doch noch statt.

Als erstes hob Carmens Pink Camouflage nach dem obligatorischen 5-4-3-2-1-Husch-husch auf einem G64 ab, und legte wie gewohnt einen mustergültigen Flug hin. Die Zuschauer, in Raketendingen unerfahren, waren bereits ob dem G64 recht beeindruckt. Fast alles war mehr als erwartet: Lärm, Beschleunigung, Höhe. Einer der Physiklehrer meinte, diese Beschleunigung (5g) sei wirklich faszinierend. Ich lachte auf den Stockzähnen, wir hatten ja noch mehr vor.

Carmens Samanyolu war bereits mit einem H128 ausgerüstet worden, und wurde nun auf dem Pad bereit gemacht. R-DAS einschalten, "Remove before flight"-Stecker wegnehmen (der wäre nicht unbedingt nötig gewesen, aber es sieht doch viel professioneller aus Wink ), Zünder einsetzen und anschliessen. Luki zählte den Countdown, diesmal ohne Husch-husch, und mit deutlich mehr Lärm und grösserer Beschleunigung (9g) machte sich Samanyolu auf den Weg. Das R-DAS rapportierte nach dem Flug 1862 Fuss, was ziemlich genau mit dem Simulationsresultat übereinstimmte.

Von den Starts und den Flügen gibt es keine Fotos. Die Kälte hatte dem Kamera-Akku so zugesetzt, dass nicht einmal mehr das Objektiv in die richtige Position gefahren werden konnte. Ähnliche Erscheinungen traten bei den Zuschauern auf, doch dagegen hatte Jacqueline heissen Punsch mitgenommen, ein für die Kamera weniger geeignetes Mittel. Dabei fanden noch einige interessante Diskussionen statt. Elektronikfreaks bewunderten das R-DAS und die Wettersonde des WRak. Wir hatten auch ein paar Raketen nur so zum ausstellen mitgenommen, und damit es nicht nur kleine Raketen waren, durfte auch WRak als mittlere Rakete mit. Herr Friedrich, Carmens Physiklehrer, meinte, seine Kinder müssten das unbedingt auch einmal sehen (diese Ausrede habe ich auch schon gebraucht Wink), wann denn der nächste ARGOS Launch stattfinden würde? Ich empfahl daraufhin, es doch einmal mit einer Estes Alpha für die Kinder zu versuchen, mit einer eigenen Rakete wäre ein Flugtag viel spannender.

Zwei der Schüler wurden als Freiwillige bestimmt, uns beim Zusammenräumen zu helfen, alle anderen hatten irgend eine unheimlich schwierige Prüfung am Nachmittag als Ausrede gefunden, um möglichst schnell ins warme Klassenzimmer zurückkehren zu dürfen. In kurzer Zeit war die ganze Ausrüstung wieder im Auto verstaut.

Diese Physikstunde wird mit Sicherheit länger in Erinnerung bleiben, als manch eine andere, und wenn das Thema Impuls ebenso gut haften bleibt wie der Eindruck von Pink Camouflage und Samanyolu, wenn in Zukunft der Impulserhaltungssatz mit pinkem Tarnmuster oder weissen Sternen auf blauem Grund assoziiert wird, ist auch für die Wissenschaft möglicherweise mehr erreicht worden als mit einer Wandtafel voller Formeln.

Ob das Raketenvirus bei diesem hochansteckenden Ereignis sich hat ausbreiten können, werden wir erst in einiger Zeit erfahren. Möglicherweise merkt das Christkind etwas davon, wenn plötzlich auf einem Wunschzettel irgendwo in Ausserschwyz ein RMS oder ein PML-Kit auftaucht. Und ich rede nicht von Lukis Wunschzettel, auf dem viel mehr drauf ist, als das Christkind tragen kann. Vielleicht hat Jürg dank seines Lieferantenvertrages mit dem Christkind bereits bessere Informationen?



pink_camouflage_gross.jpg
 Beschreibung:
Pink Camouflage auf dem Pad
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pink_camouflage_gross.jpg


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